Tristes Novemberwetter, Nieselregen, dunstig und nasskalt. So kennen wir unseren lieben November, ein Monat einfach zum Vergessen! Alle die bei Verstand sind, sitzen nur noch in der warmen Bude oder sind, wie viele Tiere, schlauer als die sogenannte Krone der Schöpfung und verabschieden sich direkt bis März in den Winterschlaf.
Die Vorstellung eines trüben und hoffnungslosen Novembers wird durch den Volkstrauertag ins Unermessliche gesteigert. Totengedenken! Als ob es nicht schon genug Elend und Verrücktheit auf unserem Planeten gäbe. Und jetzt auch noch das Gedenken an die Toten aus früheren Zeiten? Im Ernst? Wird Mensch durch solche Veranstaltungen im Herbst nicht erst recht depressiv? Denn den Zuschauern wird so die eigene Unzulänglichkeit und Vergänglichkeit bewusst. Eine Tatsache, die die Menschen sonst immer geflissentlich und gekonnt „rational“ umgehen. Doch jetzt gibt es kein Entrinnen, der Volkstrauertag ist da, der Herbst laut Kalender sowieso.
Alles ist weihevoll und festlich vorbereitet und die Organisationen, die für Krieg und Frieden, Heldenmut und Zivilschutz die große Verantwortung tragen, erfüllen ihre Aufgabe mit Fackeln und Paradeuniform sehr diszipliniert und professionell.
Bundeswehr, Deutsches Rotes Kreuz und die Feuerwehr, auf sie ist Verlass und sie können auf Kommando gut repräsentieren und bella figura machen.
Alles wie gehabt und erwartet. Same procedure as every year, James!
Die geistlichen Würdenträger treten vor die Kanzel, sprechen routiniert ihren Beitrag, salbungsvoll, lehrreich und hoffnungsvoll. Same procedure as every year, Anna!
Doch nun passiert das kleine Wunder, fünf tapfere Jugendliche aus dem Verantwortungskurs „Entrechtung und Verfolgung von Minderheiten im NS-Regime“ der Sekundarschule Jülich treten vor den Honoratioren der Stadt auf. Drei trauen sich, vor diesem Publikum ein Gedicht aufzusagen und werden dabei von ihren zwei treuen Freunden flankiert. Allein diese Szene verscheucht beim Begleiter den Herbstblues. Spannung liegt in der Luft. Würdevoll und als ob es das Normalste der Welt ist, geht unser Trio Emma Ulrich, Fiona Süßmann und Kimbangu Nkongo-Muanda, eingerahmt von Xenia Kazak und Lars Flücken, zum Rednerpult. Emma, Fiona und Kimbangu haben ein gemeinsames Gedicht, dass sie in drei Teilen jeweils einzeln vortragen werden.
Allen ist klar, dass ein immenser Druck auf der Schülerin lastet, die beginnen wird.
Für Emma Ulrich scheint das jedoch keine große Sache zu sein, denn obwohl sie Lampenfieber vom Feinsten hat, spricht sie mit einer glasklaren und offenen Stimme.
Das Publikum ist gerührt, der Begleiter der Jugendlichen bekennt, auch er wird butterweich. Danach ist Fiona an der Reihe. Emma hat die imaginäre Messlatte sehr hoch gelegt, doch Fiona ist genauso souverän wie Emma und auch ihre warme, emphatische Stimme verzückt das Auditorium. Nun ist Kimbangu an der Reihe und seine tiefe, kehlige, emotionale und einzigartige Stimme setzt einen sehr schönen Kontrast zu den hellen, liebenswerten Mädchenstimmen vorher. Natürlich gewinnt auch Kimbangu, wie sonst sollte es auch sein – die Herzen des Publikums im Flug. Und als die drei sich am Ende an die Hände nehmen und ihr Gedicht mit einem gemeinsamen Refrain abschließen, ist es um alle geschehen und das Publikum schmachtet endgültig weg.
Und damit niemand auf die Idee kommt, dass die Traumfabrik Hollywood hier Regie geführt hat, folgt jetzt ein klares und offizielles Dementi: Nein, Nein und nochmals Nein, das Copyright liegt nur bei Emma, Fiona und Kimbangu. Und selbstredend dürfen wir an dieser Stelle nicht die enorm wichtige Funktion von Xenia und Lars als emotionale Begleiter und „Bodyguards“ für ihre drei Freunde vergessen.
Alle fünf haben allen Grund, stolz auf ihren Auftritt sein.
Auch die Sekundarschule Jülich kann stolz sein, solche Schüler und Schülerinnen zu haben. Denn unsere Schule ist als einzige Jülicher Schule beim Volkstrauertag anwesend gewesen, der Dank hierfür gebührt natürlich in besonderem Maße Emma, Fiona, Kimbangu, Xenia und Lars.
Nebenbei möchte ich noch erwähnen, dass die beschriebene Veranstaltung zum Volkstrauertag an einem Samstag um 16 Uhr stattfand. Emma, Fiona, Kimbangu, Xenia und Lars haben sich im Rahmen des Verantwortungskurses „NSRegime“ sofort für diese ehrenvolle Aufgabe gemeldet und sind dann freiwillig zu dieser Veranstaltung gegangen. Das sollten sich alle ins Stammbuch schreiben, die die heutige Generation als ichbezogen und nicht am Gemeinwohl interessiert charakterisieren!
Übrigens schien an diesem Volkstrauertag, die Sonne herrlich, der Himmel war azurblau und die Luft klar und frisch – Not the same procedure as every year, Lexa!


